Braulio – eine Hommage an die Reinheit der Natur

Meinen ersten Braulio habe ich 2008 im Sommer im Engadin getrunken, als ich in St. Moritz gearbeitet habe. Wir haben eine Bergtour gemacht und in den Schweizer Alpen gezeltet. Am Abend, als die Sonne hinter den schneebedeckten Berggipfeln unterging, hat dann einer meiner Arbeitskollegen seinen Lieblingsbitter rausgeholt.
Den hatte er vorher zwei Stunden in einem Schneefeld gekühlt. Trotz der Höhe und der widrigen Umstände musste ordentlich gekocht werden, dazu gehört natürlich ein guter Rotwein, ebenso ein Bitter danach. Es war ein Braulio Riserva 2005 und der Geschmack war unbeschreiblich.

Es kam natürlich einiges zusammen, ein langer, anstrengender Tag in den Alpen lag hinter uns, erschöpft, müde, wir haben gut gegessen und uns eine Flasche Rotwein geteilt. Im Hintergrund war nur das Pfeifen der Murmeltiere zu hören und genau in dem Moment kam ein gut gekühlter Bitter, der seines gleichen sucht: Braulio Riserva.

Selbst im Sommer sind die Temperaturen oberhalb von St. Moritz nachts im einstelligen oder sogar im negativen Bereich. Das heißt, ein Sommerschlafsack ist definitiv nicht die richtige Ausrüstung. Das habe ich schon befürchtet, als mein Kollege den Braulio zum Kühlen in das Gletscherfeld gelegt hat.
Da ich Gewicht sparen wollte, musste ich dafür eben in Windstopper, Thermoballjacke und zwei Longshirts übernachten. Wer das ebenfalls erleben möchte, dem sei das Experiment ans Herz gelegt.
Zurück zum Wesentlichen: Braulio und Braulio Riserva.

Während meiner beruflichen Tätigkeit in St. Moritz haben wir noch einige Flaschen Braulio getrunken, nicht nur Riserva, auch den klassischen.
Braulio ist natürlich mehr als ein klassischer Digestif, er ist eine Verneigung vor der Natur in ihrer reinsten und unberührtesten Form. Der im Jahr 1875 von Francesco Peloni, einem Apotheker aus Bormio, hergestellte Bitter kann in diversen Formen konsumiert werden. Der maßvolle Genuss steht hierbei im Vordergrund.

Cocktails oder Braulio-Eis

Für die Verarbeitung und den Einsatz von Spirituosen hat Gianni immer Ideen. Dazu kann ich nicht viel beitragen. Eine meiner bevorzugten Formen Braulio zu mir zu nehmen ist ein wohlschmeckendes Braulio-Eis. Das ist keine Besonderheit, das Grundrezept stammt aus der piemontesischen Küche.

Gelato al braulio – Kräuterlikör-Eis
3 sehr frische Bio-Eigelbe
50 g Zucker
50 ml Braulio
200 g Sahne

Die Eigelbe mit Zucker über einem heißen Wasserbad schaumig schlagen und den Braulio unterrühren. Die Sahne steif schlagen und unter die Masse heben, in einer Schüssel ins Gefrierfach stellen.

braulio eis

Nach einigen mehr oder weniger missglückten Experimenten mit zu viel Schokolade, Kräutern oder Sorbets aus diversen Beeren fiel es mir, beim Durchblättern eines Kochbuchs wie Schuppen von den Augen: Marie-Antoine Carême.

Marie-Antoine Carême (1784 – 1833) war ein Genie und Visionär der Küche, ähnlich wie Escoffier. Beide haben die Küche, wie wir sie heute kennen, geprägt wie niemand zuvor.
Carême hat die Saucenküche auf bis dato ungeahnte Weise revolutioniert und neu strukturiert. Er unterteilte in helle und braune Grundsaucen, die Spezialsaucen (Tomaten-, Butter- und Ölsaucen) sind später dazu gekommen.
Diese beiden Grundsaucen werden mit unterschiedlichen Zutaten weiterverarbeitet und mit Aromen von Kräutern, Früchten, Wein, Schokolade oder Gewürzen eingekocht und ausgebaut.

braulio schokolade

Übertrag von Carême auf Braulio-Eis

Anstelle von Saucen steht das Braulio-Eis an der Spitze. Es kann je nach Jahreszeit mit den unterschiedlichsten Komponenten verfeinert werden.
Als Kräuter eignen sich Zitronenmelisse, Rosmarin, Basilikum und Thymian sehr gut. Die Kräuter können direkt in der Eismasse verarbeitet und mitgekühlt werden. Hin und wieder umrühren, damit die Kräuter sich nicht alle am Boden absetzen.
Alternativ können bittere Schokoladensplitter verarbeitet werden, wie bei Stracciatella-Eis. Die Schokolade kann ebenfalls aromatisiert werden. Chili, Rosmarin, Eisenkraut, Zitronenmelisse, Thymian dürfen in flüssige Schokolade gegeben werden. Genauso gut eignen sich Kaffeebohnensplitter, getrocknete Him- oder Erdbeeren.
Schalen von Bitter- und Saftorangen (Bioqualität), Zitronen, Grapefruits oder Bergamotte parfümieren die Schokolade auf erstaunliche Weise und heben das Geschmackserlebnis des Braulios auf ein neues, bis dato unerreichtes Niveau.

Die Schokolade sollte nie direkter Hitze ausgesetzt werden. Am Besten in einer Metallschüssel über einem Wasserbad erhitzen.

Für die Schokosplitter verwende ich ein Verhältnis von Schokolade zu Einlage von 5:1.
Bei Chili ist etwas Vorsicht geboten, da kann das Verhältnis auf 10:1 reduziert werden und auf keinen Fall die Kerne mitverarbeiten. Die Schärfe der Chili in Kombination mit der Schokolade soll den Geschmack des Braulio Eis nicht überdecken, sondern nur begleiten.

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Wer keine Lust hat die Schokolade zu aromatisieren, dem kann ich Porcelana von der Schokoladenmanufaktur Schell empfehlen.

Als Beilage eignen sich entweder frische Beeren oder, wenn gerade keine Saison ist, pürierte Tiefkühlfrüchte.

Im zweiten Teil der Braulio-Reportage gibt es von Gianni ein paar Rezeptvorschläge für Cocktails.

Mehr über die fabelhafte Welt des Essens und Trinkens gibt es auf Instagram unter: www.instagram.com/sebastian_heuser_bdx/

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